Schlossgeschichte

geschichte

Lage

Dem Besucher der Terrasse des Lingnerschlosses zwischen Schloss Albrechtsberg und Schloss Eckberg bietet sich ein Panoramablick von einzigartigem Reiz, bei günstigem Wetter bis zu den Höhen des Erzgebirges, vom filigranen "Blauen Wunder" im Osten bis zur Silhouette der Dresdener Altstadt im Westen.
Schlossgebäude und weitläufige Parkanlage bilden zusammen einen Ort voller Anmut und Faszination. Zwischen den Weinstöcken unterhalb der Terrasse wachsen seltene Pflanzen, wie der Nickende Milchstern. Am Fuße des Berges bahnt sich die Elbe majestätisch ihren Weg. Sie trägt die älteste Schaufelrad-Dampferflotte der Welt und bringt damit täglich Touristenscharen nach Schloss Pillnitz oder in das Elbsandstein-Gebirge.
Im Norden grenzt das Areal an die Dresdner Heide. Die Innenstadt mit ihren weltbekannten historischen Bauten ist bequem zu erreichen.

Auf Sand gebaut

Kaum vorstellbar, dass die drei Elbschlösser auf einer Sanddüne der Dresdner Heide errichtet wurden, die stellenweise 34 m in die Tiefe reicht. Freiberger Bergleute mussten deshalb bei Baubeginn von Schloss Albrechtsberg Stollen in den sandigen Untergrund treiben, um unterirdische Wasserläufe in gemauerte Schächte zu leiten. Die Last der Bausubstanz von Schloss Albrechtsberg hätte anderenfalls den Elbhang ins Rutschen gebracht.

Vom Jagdrevier zum Weinberg

Taucht man tiefer in die Geschichte der Dresdner Elbschlösser ein, so ist zu erfahren, dass die steil abfallenden Hänge einst kurfürstliches Jagdrevier waren. Um 1620 wurden sie sogar militärisch zum Einschießen der "Stükken" (Geschütze) genutzt, die am gegenüber liegenden Elbufer im Blasewitzer Tännicht postiert waren. 1660 vermachte Kurfürst Johann Georg II. das Gelände an verdienstvolle Amtsinhaber seiner Umgebung. Es entstanden 8 Weinberge, die durch Erbschaft und Verkauf später mehrfach den Besitzer wechselten. Erst 1886 brachte die Reblaus den Weinbau am Elbhang total zum Erliegen. Obstbäume verdrängten die Weinstöcke für fast 100 Jahre. .

Ein Schotte wird "Wahlsachse"

1802/03 bereiste der 7. Earl of Findlater Sachsen und Böhmen. Wegen homosexueller Neigungen in seiner Heimat nicht gelitten, beschloss der vermögende Schotte, den die Lage der Weinberge in Dresden-Loschwitz begeisterte, sich in dieser Landschaft niederzulassen. Das Unterfangen gestaltete sich aber zunächst schwierig, da Findlater Ausländer war.
Außerdem wollten die Besitzer ihre Weinberge keineswegs veräußern. Mit Hilfe seines deutschen Sekretärs, Johann G. C. Fischer, gelang es Lord Findlater jedoch bis 1805, fünf Weinberge käuflich zu erwerben. An der Stelle des heutigen Schlosses Albrechtsberg entstand das Palais Findlater. Lord Findlater starb bereits 1811 und vererbte Fischer seinen gesamten Loschwitzer Grundbesitz.

Die Preußen kommen

Nach mehrfachem Besitzerwechsel gelangte Findlaters Weinberg 1850 schließlich in den Besitz der preußischen Adelsfamilie von Hohenzollern. Prinz Albrecht von Preußen, Bruder des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I., musste wegen einer nicht standesgemäßen Verbindung in zweiter Ehe mit der Hofdame Rosalie von Rauch (später Gräfin von Hohenau) den preußischen Hof verlassen. Auf Anregung der Freifrau Ernestine von Stockhausen - ihr Gemahl war Kammerherr des Prinzen Albrecht - erfolgte der Ankauf des Findlater'schen Anwesens mit dem Ziel, dort einen angemessenen Wohnsitz in privilegierter Lage zu errichten.

Villa Stockhausen | Lingnerschloss

Unter der Stabführung des Berliner Landbaumeisters Adolph Lohse entstanden in den Jahren 1850/53 nahezu zeitparallel Schloss Albrechtsberg und Villa Stockhausen - das heutige Lingnerschloss - im Stile des Berliner Spätklassizismus. Vorbilder waren die berühmten Renaissance-Paläste des italienischen Hochadels.
Die Gestaltung der Gartenanlagen wurde Eduard Neide anvertraut, dem seinerzeit wohl berühmtesten deutschen Gartenarchitekten.
Berliner Bauhandwerker schufen unter Verwendung des traditionellen sächsischen Sandsteins ein Bauwerk, das heute zu den großartigsten Zeugnissen spätklassizistischer Baukunst in der sächsischen Landeshauptstadt gehört.

Wechselnde Schlossherren

Familie von Stockhausen (1853 - 1891)
Nach dem frühen Tod des Freiherrn von Stockhausen unmittelbar nach Vollendung des Bauwerks 1853 bewohnte dessen Familie das Anwesen noch bis zum Jahre 1891.

Industrie bringt Wohlstand (1891 - 1916)
Nacheigentümer waren ab 1891 der Dresdner Industrielle Bruno Naumann (Fa. Seidel & Naumann) sowie ab 1906 der "Odolkönig" Karl August Lingner, auf dessen Veranlassung 1908 gravierende Umbauten im Stile der Zeit unter Leitung des bekannten Dresdner Architekten Wilhelm Kreis erfolgten. Neben Veränderungen der Raumstruktur wurde insbesondere die östliche Kolonnade erweitert und zur geschlossenen Orangerie ausgebaut. Der offene Balkon auf der Südseite des Obergeschosses musste schon 1901 einer geschlossenen Glasveranda weichen. Im Festsaal des Erdgeschosses wurden drei Orgelprospekte eingebaut, an deren Klang Lingner seine Freunde hin und wieder per Telefon teilhaben ließ. Von der Schlossterrasse führte eine schienengebundene Kabinenseilbahn für 8 Personen den Weinberg hinab zu Lingners Lieblingsplatz, auf dem später, seinem Wunsche gemäß, ein Mausoleum als letzte Ruhestätte für den Schlossherrn errichtet wurde.

Eigentum verpflichtet (1916 - 1945)
Als Teil eines von hoher sozialer Verantwortung getragenen Vermächtnisses aus dem Jahr 1916, dem Todesjahr Lingners, wurde das Anwesen 1921 Eigentum der Stadt. Es war der Wunsch Karl August Lingners, Haus und Parkanlage nach seiner Lebenszeit den Dresdnern zu öffnen. Leider hat die Geschichte des 20. Jahrhunderts diesem Anliegen nur wenig Raum gelassen.
Nach 1921 wurde die Villa – von den Dresdnern inzwischen liebevoll „Lingnerschloss“ genannt – zunächst von verschiedenen Privatpersonen genutzt, u. a. von Offiziersfamilien der nahe gelegenen Albertkasernen, diente den 1930er Jahren als Kinderheim und Bildungsstätte, gelegentlich auch als Spielstätte für öffentliche Konzerte, in den Kriegsjahren als Hilfskrankenhaus für Kriegsverletzte.

Vom Kriege unzerstört (1945 - 1955)
Vom Bombenterror des 2. Weltkrieges nahezu unversehrt, wurde das Lingnerschloss zwischen 1945 und 1947 durch die sowjetische Militäradministration genutzt. Danach gab es Pläne für ein Hotel des sowjetischen Reiseveranstalters „Intourist“, die aber nie realisiert wurden.
Von 1948 bis 1953 beherbergte das Gebäude ein Wohnheim für ABF-Studenten der Dresdner Hochschule für Bildende Künste. Danach folgte Leerstand bis 1955.

Dresdner Klub (1955 - 1993)
1955 begann die zweite große Umbauphase des Schlossgebäudes für Ziele und Aufgaben des „Dresdner Klubs“, einem elitären Zirkel international renommierter Dresdener Intellektueller, der bis 1993 hier seine Heimstatt finden sollte. Vorausgegangen war ein entsprechender Beschluss von „Partei und Regierung“, derartige Begegnungsstätten in allen 16 Bezirken der DDR zu schaffen. Unter Regie der Dresdner Architekten Gerhard Guder und Wolfgang Rasche kam es zu einer umfassenden Neuordnung der Raumstrukturen sowie zur Veränderung der gesamten Innenarchitektur im Stil der Nachkriegsmoderne. Ein massiver Anbau auf der Nordseite für eine Großküche im Kellergeschoss veränderte auch das äußere Erscheinungsbild in erheblichem Maße.
Heute sind wir geneigt, diese Zeit als Bilderstürmerei zu kennzeichnen, da Vieles, was im Gebäudeinneren an preußische Geschichte, an Jugendstil und spätklassizistische Baukunst erinnerte, für immer verloren ging. Selbst der Orgelprospekt aus der Lingnerzeit wurde vor dem Schlosseingang verbrannt. Auch der Sängerkanzelfries aus dem Lingnerschen Speisezimmer wurde ein Opfer dieser „Kulturrevolution“ und auf Anordnung einer sendungsbewussten Funktionärselite bis auf wenige Fragmente zerstört.
Als Gründungspräsident und Klubvorsitzender über einen Zeitraum von 15 Jahren wurde der bekannte Dresdner Physiker Manfred von Ardenne berufen, der im März 1957 auch die Eröffnungsrede hielt, die man noch heute mit gemischten Gefühlen liest.
Als Treffpunkt namhafter Wissenschaftler, Ingenieure, Ärzte, Pädagogen, Künstler und Kulturschaffender erfreute sich der Dresdner Klub trotz alledem großer Beliebtheit unter Mitgliedern, deren Familien und Gästen, nicht zuletzt wegen des exzellenten Restaurantbetriebes.
Ab 1972 erfolgte die Zuordnung des Dresdner Klubs zum Kulturbund der DDR in Berlin, verbunden mit der Angliederung des „Victor-Klemperer-Klubs“ der TU Dresden, später auch des „Carl-Gustav-Carus-Klubs“ der Medizinischen Akademie Dresden, leider aber auch mit der ausgrenzenden Umbenennung in „Dresdner Klub der Intelligenz“ – nicht selten dankbarer Gegenstand für Kabarettisten und Spötter allen Colleurs.
Öffentlichkeit im Sinne des Lingner-Testaments von 1916 gab es nicht, allenfalls nach der deutschen Wiedervereinigung im Herbst 1990.

Förderverein Lingnerschloss e.V.
Nach fast 10 Jahren Leerstand gründeten im September 2002 kulturell interessierte Dresdner Bürger den gemeinnützigen Förderverein Lingnerschloss e. V.
„Bürger engagieren sich für ihre Stadt“ – unter diesem Leitmotiv engagieren sich dessen Mitglieder, Sympathisanten und ehrenamtlichen Helfer bis heute für die Sanierung und Erhaltung des Schlossgebäudes als lebendiges Denkmal mit zeitgemäßem Nutzungsanspruch.